Die Damen sind Meister
Kleine Augen, großes Grinsen. Das war der Dresscode am Sonntagmorgen im Vereinsheim des ST Scheyern. Und natürlich die HFS-Pullis. Der STS-Vorsitzende Martin Koch hatte geladen, um die Damenmannschaft der Handball-Füchse Scheyern zu ehren. Sektempfang, Kuchen, Pizza-Häppchen. Dazu Präsente für jede einzelne Spielerin, die in dieser Saison zum Einsatz gekommen war. Es war ein feierlicher Rahmen für einen historischen Anlass: Die Damen der Handball-Füchse Scheyern sind Meister der Bezirksklasse West. Als erste Erwachsenen-Mannschaft in der Abteilungsgeschichte beendete sie eine Saison auf dem ersten Tabellenplatz.
Das ist kein Erfolg, der Knall auf Fall kommt, das ist nicht einmal ein Erfolg, der sich nur über die Saison hin angebahnt hat. Dieser Titel ist das Resultat aus sieben Jahren hinarbeiten auf ein großes Ziel.
Ein Blick zurück. Im Jahr 2016 gründeten die Handball-Füchse mit den Damen eine neue Mannschaft. Es ging da keine A-Jugend in den Erwachsenen-Bereich über, es formierten sich da auch nicht gestandene Handballerinnen zu einem neuen Team. Vielmehr traf sich eine Ansammlung von ehemaligen Füchse-Jugendspielerinnen und Neueinsteigern in der Mittelschulturnhalle. Der erste Trainer dieser Mannschaft wurde Patrick Heimbach, der bis dato Erfahrung als Jugendcoach gesammelt hatte, aber selbst noch ein junger Mann war. Und der stand nun vor der Aufgabe, eine Mannschaft zu formen und Grundlagen zu schulen. Ein Jahr lang bereitete sich die Damen-Mannschaft auf den Spielbetrieb vor. Testspiele hier, Fuchs-Cup dort, in der ersten Saison holten die Damen drei Punkte.
An dieser Stelle ein Einschub. Was sagt diese Saison mit mehr deutlichen Pleiten als Punkten über diese Mannschaft aus? Schon diese Spielzeit 2017/2018 zeigt, dass dieses Team von Sekunde eins an die Fuchs-DNA ganz tief in sich trägt. Das macht sich in verschiedenen Aspekten bemerkbar: Die große Lust an der Gemeinschaft, die riesige Identifikation mit der Abteilung und den anderen Teams, viele Spielerinnen übernahmen im Laufe der Jahre Trainer- oder Helfer-Aufgaben im Verein, der große Spaß an Events. Alles schon da, zentral ist vor allem aber ein Punkt: Diese Mannschaft blieb einfach dran. Sie trainierte und spielte einfach immer weiter. Sie weigerte sich geradezu, den Glauben an Erfolg zu verlieren.
Das sagt viel aus über Willen, aber auch viel über Geduld. Das Team hatte Vertrauen in den Weg und in sich selbst. Das führte dazu, dass diese Mannschaft einfach immer zusammenblieb. Viele von den Spielerinnen, die rund sechs Jahre später Meister wurden, standen schon auf dem Platz, als nach 60 Minuten ein 9:24 auf der Anzeigetafel aufleuchtete. Kurz besprechen, kurz frustriert sein, duschen, heimfahren. Und am Mittwoch wieder trainieren. Woche für Woche.
Und so ging die Reise weiter. Auf drei Punkte in der Saison 2017/18 folgten sechs Punkte in der Saison 2018/19. In der Saison 2019/20 waren es schon 18 Punkte – neun Siege bedeuten Platz 6. Neuzugänge kamen zum Team und halfen direkt. Die Spielerinnen, die schon immer da waren, machten große Sprünge.
Zwischenzeitlich trainierten Emmeran Winter und Jürgen Moßhammer die Mannschaft, dann übernahm wieder Patrick Heimbach. Zwischenzeitlich wurde wegen Corona gar kein Handball gespielt (Saison 2020/21). Das Wesen dieser Mannschaft blieb aber in jeder Phase gleich: Man weiß durchaus das Leben abseits der Platte zu genießen. Wenn die Sportschuhe geschnürt sind, wird aber geackert. Egal, ob mittwochsnachts, wenn die Couch nach einem Arbeitstag verlockend wäre, oder in der brütenden Hartplatz-Hitze im Juli.
Dieser unbedingte Wille, sich immer weiter zu verbessern und nach Rückschlägen nie aufzugeben, trug in der Spielzeit 2021/22 so richtig Früchte. Nur zwei Spiele verloren die Damen und erreichten die Aufstiegs-Relegation gegen den TSV Simbach II. Gegen eine mit Landesliga-Spielerinnen verstärkte Mannschaft reichte es nicht zum Aufstieg. Doch die Konsequenz war das klare Ziel Meisterschaft in der Saison danach. Alle wollten das, das Trainer-Duo Patrick Heimbach/Lena Franz wollte es und die Spielerinnen wollten es auch. Es folgte eine Fabelsaison. Zwölf Spiele, elf Siege, ein Unentschieden. 316 Tore geworfen (kein Team der Liga hat mehr), 191 Gegentore kassiert (kein Team der Liga hat weniger), zwei Spieltage vor Ende der Saison schon rechnerisch durch. Scheyern hat mit Karo Kollmar die beste Torhüterin der Liga, die stärkste Deckung der Liga, das mit weitem Abstand schnellste Tempospiel und das beste Trainer-Duo der Liga. Niemand hat so einen schönen Handball gespielt wie die Scheyerer. Die Füchse haben sich spielerisch extrem weiterentwickelt, aber auch mental. Denn auch das muss man erst einmal schaffen: Den Titel als Ziel ausgeben, Woche für Woche wiederholen, dass man das schaffen will – und dann so konsequent durchziehen.
Und damit zurück zum Sektempfangs-Sonntag im Vereinsheim. Da saßen sie also, Spielerinnen wie Theresa Reil, Liese Landskron, Carina Heimbach und Karo Kollmar, die schon in der Jugend für die Füchse gespielt hatten. Spielerinnen wie Verena Richter, Verena Selmayr und Elena Schenkel, die ganz zu Beginn dieser neu gegründeten Damenmannschaft zum Team stießen. Spielerinnen wie Paula Münzhuber, Kathrin Fink, Lena Franz, Nadine Jacobsen, Amalia Moldovan und Angelina von Hoenning, die im Laufe der Jahre zu den Füchsen kamen. Spielerinnen wie Alena Seubert, Camilla Jorgel, Karin Förster, Melissa Ruscitti, Tanja Ruscitti, Anna Seizmeier, Mika Schüler, die in der A-Jugend spielen und eine nach der anderen zu den Damen aufrückte. Und eben Patrick Heimbach, der diese Mannschaft aufbaute, formte, verbesserte, irre viel Herzblut investierte und aus jeder Spielerin eine Meister-Spielerin machte. Jeder einzelne superwichtig, jeder einzelne direkt elementarer Teil der Gemeinschaft. Auch die Zusammensetzung dieser Mannschaft erzählt viel über diesen Erfolg. Wer Teil dieses Teams sein möchte, wird schon während der Aufwärm-Mobilisation ins Herz geschlossen.
Sie alle wirkten ziemlich müde zwischen Sekt und Bezirksligafuchs-Mütze, manch eine sammelte rund drei Stunden Schlaf. Aber so ist das halt, wenn man am Vorabend einen historischen Erfolg feiert, der über sieben Jahre lang Stück für Stück erarbeitet wurde. Und irgendwie wurde auch die eigene Geschichte gefeiert. Diese Mannschaft hat zusammen geschwitzt und gelitten, zusammen gewonnen und verloren, zusammen gelacht und geweint, sich gefeiert und aufgebaut. Sie hat zusammen um eine Mitspielerin getrauert und zu Nachwuchs gratuliert. Dieses Team hat sich in der Halle kennengelernt und verbringt jetzt einen Großteil des Lebens miteinander.
Am Mittwoch danach wurde übrigens schon wieder trainiert. Es geht natürlich weiter, es geht ja immer weiter. Jetzt wird der Bezirksliga gezeigt, wo der Frosch die Locken hat.